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– Oberbürgermeister Prof. Dr. Uwe Schneidewind
– Alle im Stadtrat Wuppertal vertretenen politischen Fraktionen demokratischer Parteien

Offener Brief:
Integriertes Klimaschutzkonzept der Stadt Wuppertal – (K)ein Beitrag zum Klimaschutz?

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Prof. Dr. Schneidewind,
sehr geehrte Damen und Herren,

das vom Rat am 22. Juni 2020 beschlossene Integrierte Klimaschutzkonzept kann nur ein erster Schritt sein, ist aber für den nötigen Klimaschutz in Wuppertal nicht ausreichend. Der Klimawandel mit seinen gravierenden Auswirkungen kann damit nicht verhindert werden.

Von einem Integrierten Klimaschutzkonzept (IKSK) haben wir erwartet, dass es alle Maßnahmen darstellt, die von der Stadt und ihren kommunalen Unternehmen aktuell bearbeitet werden und vor allem auch die in der Zukunft geplanten. Wir hatten erwartet, dass durch das IKSK aufgezeigt wird, wie eine maßgebliche Reduzierung der Treibhausgase bis zu einer endgültigen Vermeidung erreicht wird. Wir sind davon ausgegangen, dass Ziele vom Rat beschlossen werden, deren Einhaltung kontrolliert und ggf. nachgebessert werden.

Diese Erwartungen erfüllt das IKSK nur teilweise. Denn obwohl die Emissionsmenge, auf die sich die Bundesregierung in ihren Klimazielen festgelegt hat, nahezu doppelt so groß ist wie das wissenschaftlich errechnete CO2-Budget Deutschlands zur Einhaltung des 1,5°C-Ziels, werden selbst diese schwachen Ziele voraussichtlich nicht erreicht. Auch Wuppertal steht in der Verantwortung, einen gerechten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Würden keine Klimaschutzmaßnahmen ergriffen, wäre unser Budget analog zum nationalen Budget bei konstanten jährlichen Emissionen bereits 2029 verbraucht. Denn das maximal verträgliche CO2-Restbudget für Deutschland beträgt ab dem 1. Januar 2020 nach den Berechnungen des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) noch 6,7 Gigatonnen CO2, um wenigstens einen angemessenen Beitrag zur Erreichung des 1,75°C-Ziels zu leisten. Bezogen auf Wuppertal ergibt sich daraus die Menge von 30.150.000 Tonnen CO2, die bei derzeit jährlichen 2.900.000 Tonnen entsprechend in neun Jahren aufgebraucht wäre. Zur Einhaltung der 1,5°C-Grenze mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit stünden Deutschland sogar nur noch 4,2 Gigatonnen CO2 seit letztem Jahr zur Verfügung. Entsprechend wäre das Wuppertaler Budget schon in etwa fünf Jahren aufgebraucht.1
1 Siehe SRU (2020): Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa, Umweltgutachten 2020, Wuppertal Institut (2020): CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze und eigene Berechnungen

Klimaneutralität kann nicht alleine durch freiwilliges bürgerschaftliches Handeln erreicht werden. Als zivilgesellschaftlich tätige Organisationen, die sich vehement für den Schutz des Klimas einsetzen, fordern wir mehr Unterstützung unseres Engagements durch politische Entscheidungen unseres Stadtrates und entsprechendes Handeln der Stadtverwaltung sowie der kommunalen Unternehmen.

Klimaschutz kann nur als eine ressortübergreifende gesamtstädtische Aufgabe gesehen werden. Klimaschutz bedeutet, dass nicht nur auf Freiwilligkeit gebaut werden kann, sondern politische Entscheidungen nötig sind, die ein klimabewusstes Verhalten fördern. Dafür werden auch Entscheidungen erforderlich sein, die von uns Wuppertaler*innen die Aufgabe klimaschädlicher Gewohnheiten abverlangen. Das kann nicht durch bürgerschaftliches Engagement geleistet werden, es erfordert einen politischen Willen sowie einen mutigen und danach ausgerichteten politisch gesetzten Rahmen.

Wirksamer Klimaschutz ist auf ein gut abgestimmtes, dynamisch weiterzuentwickelndes Zusammenwirken aller relevanten politischen Ebenen, aller Organisationen und aller Bürger*innen angewiesen.

Die unterzeichnenden Organisationen und Privatpersonen fordern:

  • Ratsbeschlüsse, in denen eine engagierte Zielsetzung für die Einsparung von Treibhausgasen sichtbar wird und die einem gerechten Beitrag Wuppertals zum Klimaschutz entsprechen.
  • Eine konsequente Nachsteuerung im Sinne des Klimaschutzes, sofern die gesetzten Ziele laut dem öffentlich zugänglichen Controllingsystem nicht erreicht werden.
  • Alle Verwaltungseinheiten und die kommunalen Unternehmen haben eine Vor- und Leitbildfunktion, der sie durch entschlossenes Handeln gerecht werden müssen.
    Dazu sollen sie ihren Beitrag für den Klimaschutz konkretisieren und diesen dem Rat als eigenen Beitrag zum „Integrierten Klimaschutzkonzept“ vorlegen.
  • Weiterbildungsmöglichkeiten sollen angeboten werden, um für alle das Wissen und damit die Akzeptanz der erforderlichen Maßnahmen deutlich zu machen.
  • Der Stand der Umsetzung dieser Maßnahmen ist dem Rat jährlich vorzutragen.
  • Hinter unzureichendem politischem Handeln steht häufig die Sorge, die Bürger*innen würden die notwendigen Maßnahmen nicht mittragen. Wir fordern daher die Einrichtung eines Bürger*innenrates zum Thema Klimaschutz, um die Handlungsbereitschaft der Bevölkerung in Wuppertal besser kennenzulernen.
  • Einrichtung von Fachforen unter Einbeziehung des Fachwissens der Zivilgesellschaft (z.B. Wissenschaft, Wirtschaft, Initiativen, breite Öffentlichkeit) zu den Themen
    – Verkehrswende zu einer klimaneutralen Mobilität
    – Klimaneutrale Energieerzeugung und -beschaffung
    – Planung einer grün-blauen Infrastruktur mit einem zusammenhängenden grünen Netzwerk, das auch die Gewässer integriert
    – Gebäudesektor klimaneutral verbessern
    In diesen Fachforen soll im Sinne der neuen Leipzig Charta 2020 für Gemeinwohl orientierte, integrierte Stadtentwicklung zusammengearbeitet werden.2
    2 Siehe https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/bauen/wohnen/neue-leipzig-charta-2020.html

Ohne diese durchgreifenden Maßnahmen ist die Klimaneutralität in Wuppertal erst in Jahrhunderten zu erreichen und nicht in den 15 bis 30 Jahren, die im Sinne der Klimagerechtigkeit notwendig sind.

Mit freundlichem Gruß

Inge Grau und Matthias Ertel
für das Klimanetzwerk Wuppertal
inge.grau@freenet.de              klimanetzwerkwuppertal@tutanota.com

Das Schreiben wird von den folgenden genannten Wuppertaler Organisationen und Privatpersonen unterstützt

Organisationen:

  • Fuß e.V.
  • Mobiles Wuppertal
  • BUND Kreisgruppe Wuppertal
  • Extinction Rebellion (XR) Wuppertal
  • Students for Future Wuppertal
  • Parents for Future Wuppertal
  • Scientists for Future Wuppertal
  • Fridays for Future Wuppertal
  • ADFC e.V. Wuppertal/Solingen
  • ProBahn RV Bergisches Land e.V.
  • kein mensch ist illegal (kmii) Wuppertal
  • Wuppertals Urbane Gärten
  • Kopp auf – Wuppertaler Initiative für nachhaltige Entwicklung e.V.
  • Ideaalwerk
  • Wuppertaler Aktionsbündnis gegen die Freihandelsfallen
  • Aufbruch am Arrenberg e.V.
  • Falken Bildungs- und Freizeitwerk Bergisch Land e.V.
  • KPri – Kein Primark am Döppersberg
  • Gewerkschafter*innen für den Klimaschutz Wuppertal
  • Zukunfts-Schmiede Wuppertal-Nord
  • Neue Arbeit Neue Kultur Bergische Region e.V.
  • BaSo (Basis Initiative Solidarität)
  • Seebrücke Wuppertal
  • Bergische Bürgerenergie eG
  • Initiative Kreuzkirche
  • OFFSET COMPANY Druckerei GmbH
  • Freiwirtschaftlicher Jugendverband Deutschland e.V.

Privatpersonen:

  • Hannah Halekotte
  • Sandra Peterburs
  • Karen Blümcke
  • Ute Brüne
  • Eva-M. Evers-Graap
  • Rolf Graap
  • Dieter Jandt

Dieser Brief wurde initiiert vom Klimanetzwerk Wuppertal.
Weitere Informationen erhalten Sie auf der Website des Netzwerks:
https://klimanetzwerkwuppertal.wordpress.com/2021/01/21/integriertes-klimaschutzkonzept-der-stadt-wuppertal-kein-beitrag-zum-klimaschutz/

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